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So höret nun die Geschichte über die Geschehnisse, Freuden und Schrecknisse um das Wintertreyben im Jahre 14 nach York, niedergeschrieben von Eurem respektvollen Erzähler Docatius Viator, Knappe des ehrenwerten Grafen Langoras ut Hilgenloh von Ludwigstein sowie dessen Verwalter der Grafschaft, schon auf der Rückreise nach Ludwigstein befindlich und in Begleitung des ritterlichen Zwergen Goras, der Gardistin Cho und den Heilerinnen Ezela und Saides.
Dieser Bericht wird nur wiedergeben, was ich selber anhand meiner Aufzeichnungen oder meiner Erinnerung noch zu ersinnen vermag, oder welche mir meine Begleiter noch zuraunten, und ich freue mich, später noch Einzelheiten nachzutragen, so mir denn freundliche Mitgäste welche zutragen sollten. Diese Einzelheiten werde ich dann unterhalb des Berichtes aufführen, auf daß sie keine Verwirrung durch Streichungen und Gekritzel am Rand auslösen mögen.
Bei großer Kälte doch frohen Mutes erreichten wir die Burg des Grafen, wo uns alsbald die Hausherren empfingen. Martin Radebrecht-Hildes und seine bezaubende Gattin Karla Radebrecht - welche übrigens eine Tante des Grafen Klaas Radebrecht ist, und die sich an diesem Abend leider nicht wohl zu befinden schien.
Zu den Gästen gehörten niemand geringerer als seine Majestät König Rhavin von Larhgo, Graf Derfel von Drachenfuß von Averbergen, Ritter Goras von Ludwigstein, Ritter Marius von Hammerburg, sowie vielerley edle Herren und Damen aus nah und fern, darunter wichtige Vertreter der Heilergilde und der Hammeriten.
Die Gesellschaft begab sich zum Abendmal, wo gleich welchen Standes nach Kräften gesoffen und gefressen ward, mundete das Mal doch gar trefflich. Reichlich ward aufgetragen und so erging man sich in Speis, Trank und munterem Geplapper.
Der Hammerburger Gardist Friedel klagte mir darüber, daß sein Anbandel mit der Schankmaid Meta wenig erfolgreich schien, und so riet ich ihm, die Steinheilkünste der Saides zu versuchen. Sie wußte auch sofort Rat und verkaufte ihm einen rot schimmernden Stein, den er seiner Angebeteten schenken solle. Wie wir beobachten konnten, funktionierte das ganz trefflich, denn die Maid lächelte ihn lieblich an, als er ihr das Kleinod darbrachte, und wir freuten uns für ihn gar sehr.
Anschließend feierte man im gegenüberliegenden Bankettsaal weiter, während sich Seine Majestät mit den wichtigeren unter den Gästen zu einem trauten Beisammensein zurückzog, vermutlich um wichtige Geschäfte des Staates zu behandeln und weise zu regieren.
Das weniger edle Volk erging sich derweil begeistert in Trunk und Klatsch, und so erfuhr auch der Erzähler samt seiner bezaubernden Begleitung die örtlichen Gerüchte. Ein Monster treibe seit längerem sein Unwesen, das noch niemand gesehen habe. Den Gerüchten nach käme ein Werwolf in Frage, was alle Beteiligten unruhig erschauern ließ. Auch seien Schwarze Nordmänner in der Grafschaft gesichtet worden und sie machten die Umgebung der Burg immer wieder unsicher, wobei sie aber stets nur kleine Gehöfte angriffen und schrecklich verstümmelte Leichen hinterließen.
Nicht wenig erstaunt war dann Euer ergebener Erzähler, als er unerwartet selber von seiner Majestät dazugebeten wurde in den Kreis der erlauchteren Herrschaften, vielleicht angestiftet vom Herrn Goras. Die werte Leserschaft mag verzeihen, daß ich an dieser Stelle nicht die Dinge wiedergebe, die in diesem Kreise diskutiert wurden, sind sie doch nicht für die Ohren von Jedermann gedacht. Zu erzählen vermag ich jedoch, daß gleich mir auch die Ludwigsteiner Heilerin Saides dazugebeten ward, vermag sie es doch, die Seiten der Harfe zu schlagen, und so verzauberten gar liebliche Klänge die Ohren der Mächtigen, und Seine Majestät daselbst spendete ergriffen Beifall und dankte der bezaubernden Musikantin.
Alarmglocken unterbrachen den Frieden des Abends. Wachleute eilten herbei und berichteten, daß vor der Burg finstere gerüstete Gestalten jolten und die Bewohner schmähten. Männer liefen hinaus um der Bedrohung zu begegnen, wärend Seine Majestät weiter gelassen Hof hielt. Bald kehrten die Männer zurück und berichteten, daß die Fremden wieder abgezogen seien. Kaum hatte sich alles wieder beruhigt, da hub erneut ein Radau an. Schnell wurde berichtet, daß eine geheime Tür in den Turm gefunden war, hinter der Gestöhne und seltsamer Lärm zu hören waren, und daß Männer bereits dem auf den Grund gingen. Seine Majestät erwog, weitere Mannen hinterher zu schicken, doch als er vernahm, daß der Zwerg Goras bereits unter den Männern sei, winkte er ab und merkte an, daß das sicherlich reichen würde, um jeder Bedrohung aus diesem Gemäuer zu begegnen. Tatsächlich wurde eine weitere vermauerte Tür gefunden, ansonsten jedoch war keine Bedrohung zu erkennen. Zwischenzeitlich hielten die Hammeriten eine Messe und segneten sicherheitshalber die Türen, auf daß kein Unheil eindringen möge. Ezela beobachtete, daß die Hausherrin danach einen Schwächeanfall erlitt, wenn sie diese Türen durchschritt, was eine weitere beunruhigende Beobachtung war.
Kaum war auch dieser Trubel vergangen, da griffen die Gestalten von draußen erneut an, die im Dunkel der Nacht nicht zu erkennen waren. Waffen klirrten und Männer wurden niedergestreckt. Wenige waren zu diesem frohen Feste in eiserner Wäsche angereist und so waren die kampfbereiten und gerüsteten Verteidiger nicht zahlreich. Kampfesschreie klangen durch die Nacht und an der kleinen Brücke blieben Männer liegen. Ritter Goras kam verletzt aus dem Dunkel zurückgehumpelt und rief nach Heilern und weiteren Mannen. Zum Schauplatz des Geschehens zurückgekehrt fanden wir die Hammeriten Thimorn und Hademar Wigbold am Boden liegend und schwer verletzt. Sie wurden sofort zur Burg zurückgetragen. Ritter Marius hingegen wurde vermisst und galt als vom Feind verschleppt, bis er doch noch unter einer Tanne liegend gefunden wurde, und auch das nur, weil der warme Dampf seines schwachen Atems in der Kälte im Schein der Lichter der Burg zu sehen war. Er war so schwer verletzt, daß er nicht mehr hatte auf sich aufmerksam hatte machen können. Die Ludwigsteiner Heilerin Ezela tat, was sie konnte, um die Blutungen zu stillen, mehr war mit einem potentiellen Feind im Rücken nicht ratsam, und so schleiften der selbst verletzte Zwerg Goras und meine Wenigkeit den vor Schmerz laut stöhnenden Hauptmann zurück ins schnell eingerichtete Lanzarett, während Ezela die Wunden nach Kräften geschlossen hielt, so gut es ging. Später berichteten die Heiler, daß wir ihm dabei wohl mehr Schaden zugefügt hatten als der Feind, aber Kälte, Dunkelheit und die womöglich nah befindlichen Gegner ließen uns eher schnell als vorsichtig handeln. Im Dunkel der Nacht konnte niemand die Zahl der Feinde genau schätzen, und so machten schnell Zahlen von drei Mannen bis zu zwei Dutzend die Runde.
Da das Gelände fortan als unsicher galt, wurde die Burgtür verrammelt und die wenigen noch nicht verletzten Streiter wachten aufmerksam. Zuletzt schleppten einige doch noch aus der Dunkelheit einen Toten herbei, der sich jedoch nicht etwa als einer der Angreifer herausstellte, sondern als eine von großen Krallen entstellte Leiche. Ein jeder hatte nun im Dunkel einen Werwolf vor Augen und es ward allen unbehaglich. Zudem ging das Gerücht, der Getötete sei niemand anderer als der Hausherr Martin Radebrecht-Hildes daselbst. Die Heiler, die inzwischen alle Verletzten versorgt hatten, untersuchten den Leichnahm und gelangten zu der merkwürdigen Erkenntnis, daß der Körper kaum geblutet hatte und daß der Hals Würgemale aufwies. Das würde bedeuten, daß der Tote erwürgt wurde und erst nach seinem Tode die furchtbaren Krallen zu spühren bekam - ein offensichtlicher Mord, der einem Werwolf in die Schuhe geschoben werden sollte, was allen zu denken gab. Der Unglückliche wurde von den Hammeriten gesegnet und dann im Burghof in Würde verbrannt. Immerhin stellte sich heraus, daß es sich nicht um den Hausherren gehandelt hatte, sondern um einen Gesandten des Hammerburger Handelsrates, was großes Wehklagen beim Hausherren und seiner Verwalterin Hilke auslöste. So war denn die Nacht wenig feierlich und gar wenige schliefen ruhig.
Noch im Frühmal begriffen wurden wir von der Magd Berta gebeten, nach einem Beutel zu suchen, den die Zofe der Hausherrin verloren hatte und der einen wichtigen Tee enthielt, dessen die Hausherrin dringen bedürfe. So machten wir uns denn auf, die wir nichts besseres zu tun hatten, und streiften durch jene Gegend um die Burg, die uns die Zofe als die aussichtsreichste beschrieben hatte. Ich, Gardistin Cho, die Heilerinnen Ezela und Saides, Thimorn der Hammerit und Friedel von der Hammerburger Wacht. Rund um die Hütte des Steinmetzes suchten wir, doch schließlich präsentierte Friedel einen schwarzen Beutel, den er an der in der Nacht noch umkämpften Brücke fand und der ein großes Loch aufwies und einen Rest getrockneter Blätter beinhaltete. Mißtrauisch geworden ob des seltsamen Verhaltens der Hausherrin Karla Radebrecht, die schläfrig und unkonzentriert wirkte, ließen wir unsere kräuterkundige Heilerin Ezela einen Blick hineinwerfen, um die Blätter zu bestimmen, doch waren ihr diese fremd. So ließen wir ein Blatt verschwinden, um es der Heilergilde zur Bestimmung zu übergeben, bevor wir dem stolzen Friedel den Beutel zurückgaben, und ihn hießen, ihn zu der armen Berta zu bringen. Diese fanden wir im Bankettsaal, der trotz der frühen Stunde als Taverne diente. Der Beutel ging durch die Hände mehrerer mir nicht mehr namentlich in Erinnerung gebliebener Personen, und als er bei Berta ankam, jammerte sie gar sehr, war doch der Beutel leer, was uns doch verdutze, glaubte ich doch selber noch mindestens zwei weitere Blätter darin gesehen zu haben. Derweil übergab Ezela das unterschlagene Blatt an Mara von der Heilergilde und berichtete ihr von dem Umständen. Die Heilergilde stützte sich sogleich auf eine Analyse, die aber einzige Zeit brauchen würde.
Da große Aufregung wegen des verschwundenen Tees herrschte, wurden wir ausgesand, um einen Ersatz zu finden. Es solle ähnliche Blätter am umgestürzten Stumpf eines alten Baumes in der Nähe der Klosterruine geben, und also zogen wir dorthin, die Heilerinnen aus Ludwigstein und einige wackere Kämpfer als Schutz. Tatsächlich fanden die wahrlich kräuterkundige Ezela nach anfänglichen Fehlschlägen das Kraut und sammelte, während die Kämpfer wachsam die Klosterruine im Auge behielten, kursierte doch noch immer das Gerücht um einen Werwolf, und auch die Angreifer der letzten Nacht waren unvergessen. Wieder auf dem Rückweg fand unsere Ezela dann noch andere nützliche Kräuter, die wir pflückten und die sie später trocknete, um sie in ihre Vorräte zu nehmen.
Zurück in der Burg machten sich die Heiler über die gesuchten Kräuter her und identifizierten sie. Seltsamerweise waren Zofe und Magd zufrieden, es seien die richtigen Kräuter, während die Heiler sagten, es seien andere. Jedenfalls wurde von ihnen beschlossen, ständig die Hausherrin im Auge zu behalten und jeden daran zu hindern, ihr irgendwelchen Tee einzuflößen.
Zur selben Zeit erreichte auch ein Bote aus Hammerburg die Feste, man wußte also in der Stadt inzwischen bescheid.
Wir zogen uns in die mittlerweile allgemein als solche bezeichnete Taverne zurück, und so konnte ich unter den beruhigenden Harfenklängen von Saides Instrument meine Aufzeichnungen machen, aus denen ich diesen meinen Bericht fertige.
Bald hielten die Hammeriten im Burghof eine Messe für den Toten. Später wurde mir berichtet, daß derweil die Magd Bertra einen Weinkrampf bekommen hatte und behandelt werden mußte. Sie sah schon den ganzen letzten Tag immer verheult aus, so daß dies niemanden überraschte.
Wieder zurück in der Taverne hatten sich Ezela und Saides mit den Hammerburger Heilerinnen zusammengesetzt und tauschten sich mit ihnen aus. Saides Wissen um die Steinheilkunde wurde neugierig bewundert, und auch die Kräuterkunde von Ezela überraschte, sind doch beide noch keine erfahrenen Heilerinnen und in wenigen anderen Heilerbereichen bewandert als in ihren Fachgebieten - in diesen jedoch scheinen sie fürwahr gut gebildet. Weitere Gespräche der Heilerinnen wurden sogleich anberaumt.
An anderer Stelle machten sich Leute auf, einen seit Ewigkeiten nicht mehr geöffneten Keller zu öffnen und zu erforschen. Davon wurde ich doch neugierig, doch als ich dort ankam, war der stockfinstere Kellerraum bereits erforscht. Dort saß im schummerigen Licht der wenigen Laternen auf einem Stuhl in ein Trauergewand gehüllt das Skelett einer Frau neben einem mit Fellen bedeckten Bett. Offenbar war ein Tagebuch gefunden worden, das nun erst einmal gelesen werden sollte, währen zwei Soldaten aus Frosthier einen Scheiterhaufen aufschichteten, um die Leiche zu verbrennen. Der Zufall wollte es, daß ich als letzter gerade diesen Keller verlassen wollte, als ich ein Geräusch hörte, das mir die Haare zu Berge stehen ließ. Ein geisterhaftes Wispern einer Frauenstimme aus dem Nichts. Ich rief sofort die vor mir Gehenden zurück, und gemeinsam lauschten wir und versuchten etwas zu verstehen. Nur “Helft mir…” konnten wir verstehen, alles andere war zu unverständlich. Schließlich wurde beschlossen, die Verbrennung zu verschieben, bis das Tagebuch gesichtet war und wir verließen den schaurigen Keller flinken Fußes.
Als gute praktisch denkende Larhgoten gingen wir dann erst mal essen.
Danach kam uns zu Ohren, daß im ersten Stock ein Ritual vor einem seltsamen Wandteppich abgehalten werden sollte. Dieser Wandteppich bereitete uns schon zuvor Kopfzerbrechen, denn manche Leute befiel das starke Gefühl des beobachtet werdens, wenn sie sich ihm näherten, und der Gelehrte Katib Al´Maktaba mußte diesen Bereich sogar ganz meiden, wollte er nicht in unerklärliche Gram versinken. Dabei hing der Teppich schon viele Jahre an diesem Platz und nie hatte jemand es gewagt, sich damit zu befassen. Der Teppich zeigte eine Reihe tanzender Leute zusammen mit Skeletten in einem Reigen. Eines der Skelette schien jeden anzustarren, der den Teppich betrachtete. Zum Glück bin ich etwa so magisch begabt wie ein Pflasterstein, und daher fühlte ich auch keinerlei Unbehagen.
Während wir das Problem von allen Seiten diskutierten, rauschte die Hausherrin vorbei und scholt lautstark einen ihrer Angestellten. Anscheinend begann die Wirkung des seltsamen Tees zu schwinden, und die Hausherrin wirkte plötzlich sehr energisch, als sie die Treppe hinunter entschwand.
Da es in der ganzen Gesellschaft an Magiekundigen mangelte, wurde es begrüßt, daß eine zum Glück anwesende Magierin aus unbekannten Landen sich der Gefahr aussetzte und einen Bannzauber auf den Bereich vor dem Teppich versuchte. Sie stellte seltsame magische Utensilien auf, zog aus Sand unter Gesang einen Bannkreis und tanzte einen mir unbekannten Tanz, bevor sie plötzlich ohnmächtig darnieder sank. Das unangenehme Gefühl verschwand, so sagten einige Anwesende. Doch während die Magierin langsam wieder zu sich kam, kam das Gefühl auch wieder zurück, offenbar war der Bann nicht stark genug und war ja auch tatsächlich nicht auf den Teppich selber gerichtet gewesen. Die Magierin berichtete von ihren Gefühlen dabei und daß wirklich der Teppich der Quell des Übels sei, mehr wußte sie aber leider auch nicht zu berichten. Der Teppich wurde daraufhin abgenommen und woanders verwahrt.
Wieder in der Taverne sitzend, gesellte sich der Hausherr Martin Radebrecht-Hildes zu uns und bot uns unter anderem aus dem fernen Land Flandern stammende Zwiebeln an, die man aber nicht essen konnte, sondern aus denen seltsame und wunderschöne Blumen wachsen sollten, die man Tulpen nannte, und von denen hier noch niemand etwas gehört hatte. Mit zwei Silber pro Stück erschienen die Zwiebeln den Anwesenden auch etwas zu teuer. Der Zwerg Goras nutzte die Gelegenheit sogleich, um stattdessen über einen Handel mit eher essbaren Zwiebeln zu verhandeln. Bald darauf traf auch noch eine Frau in der Burg ein, deren Namen ich als Finola zu erinnern glaube. Sie stellte sich als Anhängerin des Ordens des Gehörnten vor, was mich verwunderte, hatte ich, der ich doch schon selbst neben dem goldenen Bäumchen von Moorende gestanden hatte, immer angenommen, dies sei ein Glaube, der sich auf den Gutshof und seine Umgebung beschränkte. Nun, ich wurde eines besseren belehrt.
Endlich war es auch Zeit für das Abendessen. Währenddessen kam heraus, warum die arme Magd Berta immer so verheult aussah. Schwarze Nordmänner hatten schon vor fast einer Woche ihre sechsjährige Tochter Mariele entführt und erpressten damit ihren Gatten, den Steinmetz Fiete, daß dieser ihnen mehrere Steine haue, auf denen bestimmte unheilvolle Runen zu stehen hatten. Nun war die Übergabe organisiert, und man konnte natürlich keinesfalls zulassen, daß dererlei mächtiges Magiezeugs in die Hände der Nordleute gelänge. Also wurden Pläne geschmiedet, dies zu vereiteln und trotzdem das Mariele zu retten. Die Männer rüsteten sich und dann begann das, was jeder Schlacht vorausging : das Warten. Nichts lief so, wie es laufen sollte. Falsche Steine als Köder waren verschwunden, plötzlich waren auch der Steinmetz samt Frau und Steinen weg, und Schreie klangen aus dem Wald. Wir Bewaffnete stürzten daraufhin in den finsteren Wald, und gleich hinter der Brücke kam es zum Gefecht. Schnell waren fünf Nordmänner erschlagen, denn diesmal waren wir ihnen zahlenmäßig überlegen und auf einen Kampf vorbereitet. Ich selber erhielt nur einen Streich auf den Schild und rutschte auf dem Lehm aus - ein Glück, daß mein Gegner das nicht zu nutzen verstand, drangen doch noch andere auf ihn ein, allen voran Ritter Goras mit seiner gefüchteten Axt. Doch welch Jammer! Der Steinmetz und seine Frau lagen in ihrem Blute und waren gemordet von den Schwarzen Nordmännern! Auch die Steine konnten zunächst nirgends gefunden werden, ebensowenig wie die kleine Mariele. Während die Toten geborgen wurden, suchten wir weiter im Fackelschein nach den gefährlichen Steinen, die schließlich ein Frosthierer unter der Brücke fand. Sie wurden zerschlagen und die Trümmer im Weiher versenkt.
Zurück in der Burg war die Trauer groß, Fite und Berta lagen aufgebahrt und Frauen klagten und Priester spendeten Segen und leisteten Fürbitte für die Toten bei den Göttern. Die Leichen wurden nach larhgotischer Sitte im Feuer bestattet. Der Hammerit Thimorn schwor, nicht eher zu ruhen, als bis der Verbleib des Kindleins aufgekläret sei, und so begab er sich noch im Dunkel auf die Suche.
Später am Abend traf endlich der Graf Klaas Radebrecht von Hammerburg ein, Neffe der Hausherrin, zusammen mit Solveig Ohnesorg, der bekannten Priesterin Irr´shins. Kurz darauf saßen wieder die Mächtigen in ihrem Erker beisammen, diesmal mit dem Grafen von Hammerburg, und auch ich war wieder eingeladen worden. Die Gespräche waren interessant und dauerten bis in die Nacht, waren aber nicht für jedermanns Ohren. Später ließen sich noch der Graf und seine Majestät in allen Details über die Vorgänge unterrichten, doch da war ich nicht zugegen. Es sollen jedoch die Hammeriten gewaltig den Kopf gewaschen bekommen haben, so ging das Gerücht. Seine Majestät war sehr ungehalten über den Ablauf des Geschehens. Später zitierte mich noch Graf Radebrecht zu sich, und ich konnte endlich meinen eigentlichen Auftrag ausführen, der aus gewissen Verhandlungen bestand und die ich bei einem langen Gespräch mit dem Grafen in angenehmer Atmosphäre erledigte.
Zwischenzeitlich verarzteten Mara, Cho und Saides ihre blutenden Ohrläppchen. Jene Magierin, der ein dreister Waldgeist vor längerer Zeit ein Katzengesicht und Katzenohren angehext hatte, führte außerhalb der Burg, auf einem Magieknotenpunkt, ein Ritual durch, bei dem sie diese Andenken wieder los werden wollte. Da der Ritualkreis nicht ganz geschlossen war - es gingen ein paar Kerzen aus - war ihr Ritual zwar erfolgreich, aber einige der Umstehenden bekamen Nebenwirkungen zu spühren, die zum Glück nur darin bestanden, daß ihre Ohren sich verändern wollten, aber nur kurzzeitig. Das tat weh, war aber nicht gar so schlimm. Außerdem lud die Magierin die betroffenen in die Taverne ein.
Danach erfuhr ich, wieder in der Taverne, von einem ziemlich niedergeschlagenen Thimorn weitere Einzelheiten über die so unglücklichen Geschehnisse. Anscheinend hatten die Hammeriten die eigentliche Übergabe abwickeln sollen, zusammen mit dem Schmied. Als die Hammeriten bei seiner Behausung ankamen, war erst der Schmied samt Frau weg, die echten wie die falschen Steine ebenfalls, und alles ging durcheinander. Letztlich traf man doch noch auf die Schwarzen Nordmänner, doch diese gaben das Kindlein nicht heraus, sondern forderten vom Schmied und seiner Frau, daß sie ihnen die schweren Steine trügen und die Hammeriten zu warten hätten. Die Priester ließen die Nordmänner schwören, daß diese ihr Wort hielten und ließen sie samt Schmied, Magd und Steinen ziehen, und so konnten sie den wartenden Bewaffneten auch nicht das vereinbarte Zeichen geben. Dann klangen die Schreie aus dem Wald, die auch ich vernommen hatte, eine Frauenstimme “Ihr Schweine”, und die Bewaffneten rannten auch ohne Signal los. Die ersten waren wohl die Hammeriten und die fanden den Schmied bereits erschlagen vor, und der armen Bertra hielt ein Nordmann den Dolch an die Kehle. Als die Verstärkung eintraf, schnitt er ihr die Kehle durch, und der Kampf begann. Das weitere ist bekannt. Und noch immer keine Spur vom Mariele.
Ich wurde geweckt von einem furchtbaren Streit vor der Tür meiner Schlafstatt. Offenbar durchsuchten Leute von der Wacht die Räume des Hausherren. Er schimpfte schrecklich, wohl mit seiner Frau, und ich glaube sogar, Ohrfeigen gehört zu haben. Als ich zum Morgenmal wollte, stand ein frosthierer Gardist Wache vor dem Zimmer und Ritter Marius stapfte mit weiteren Wachen die Treppe hinuf. Ich flüchtete zum Speisesaal, denn ein Ehekrach des Paares ging mich nun wirklich nichts an.
Nach dem Frühstück hielten die Hammeriten eine Frühmesse, in deren Verlauf der Novitze Thimorn zum Hammeritenpriester geweiht wurde.
Zurück in der Burg nahm mich Graf Radebrecht beiseite und verkündete mir, daß der Hausherr, sein angeheirateter Onkel Martin Radebrecht-Hildes, in Haft genommen sei und daß es noch am heutigen Tage eine Gerichtsverhandlung geben würde, und daß er mich darum bäte, einer der drei Richter zu sein. Natürlich war ich sehr geehrt und stimmte zu.
Während man die “Taverne” zu einem Gerichtssaal umbaute, erfuhr ich, daß inzwischen mit Hilfe des Tagebuches das Rätsel mit dem Skelett im Keller gelöst sei. Die Tote war wohl eine schon zu Lebzeiten wenig angenehme Dame, die irgendwer aus der Verwandschaft um die Ecke gebracht hatte. Daher weigerte sich auch die Seele, zu den Göttern aufzufahren. Eine der Heilerinnen hatte die Nacht im Keller verbracht und die ruhelose Seele mit Gebeten und Freundlichkeit erlöst. Mehr weiß ich dazu leider nicht.
Schließlich begann endlich der Prozess. Das Gericht setzte sich aus Ritter Marius von Hammerburg als Vorsitzendem zusammen, sowie Edin von Frosthier und meiner Wenigkeit, Docatius Viator aus Ludwigstein. Die Klägerin war die Ratsherrin Karla Radebrecht, unterstützt von dem Gelehrten Katib Al´Maktaba. Der Angeklagte Martin Radebrecht-Hildes hingegen wünschte sich selbst zu verteidigen.
Die Anklage führte folgende Taten auf : 1. Vergiftung der Hausherrin durch Drogen seit einem halben Jahr, um seine unlauteren Geschäfte vor ihr zu verbergen, und damit auch die Verletzung ihrer Würde als edle Dame 2. Ehebruch mit der Verwalterin Hilke 3. Mord am Ratsgesandten, der dem Angeklagten auf die Schliche mit seinen Geschäften gekommen war und dem Handelsrat Abschriften von belastenden Unterlagen zukommen lassen wollte.
Die Verhandlung war lang und genau und kam schließlich zu folgendem Ergebnis : 1. Schuldig der Vergiftung mit Drogen, es konnte hinreichend bewiesen werden und auch die Beweggründe wurden aufgedeckt und für verwerflich befunden. 2. Es konnten keine Beweise oder dringliche Indizien für einen Ehebruch gefunden werden. 3. Es waren keine wirklich belastenden Indizien für eine Beteiligung am Mord festzustellen.
Das Handelsgebahren, das als Motiv für den Mord angeführt wurde, wurde als unfein befunden, aber letztlich nicht gesetzwidrig. Das Gericht erklärte sich in diesem Punkt als nicht zuständig.
Das Urteil lautete wie folgt : Der Angeklagte wird verurteilt, ein Jahr und einen Tag auf den Hammerburger Werften körperlich zu arbeiten und so die Hammerburger Flotte und die Stärke Larhgos zu mehren. Seine Geschäftsbücher werden sichergestellt und dem Grafen übergeben, auf daß dieser sie dem Handelsrat in Hammerburg zur Kontrolle zukommen lasse.
Der Verurteilte wurde sogleich von den Wachen nach Hammerbug überstellt.
Leider erreichte das Gericht schon während der Verhandlung die traurige Nachricht, daß die blutbefleckte Kleidung der kleinen Mariele aufgefunden wurde und somit keine Hoffnung mehr bestand. Dies wurde nach der Verhandlung öffentlich verkündet und so den Anwesenden bekannt gemacht.
Nach der Verhandlung saß wieder alles in der Taverne und feierte, daß endlich alles aufgeklärt war und so das Wintertreyben ohne weitere Ungemach begangen werden konnte. ich konnte zusammen mit Herrn Goras weitere interessante Gespräche mit der wiedererstarkten Hausherrin und ihrer Verwalterin führen.
Später am Abend wurden wir zum Tanz gebeten und die Gäste erlernten vom Averbergener Grafen daselbst mehrere höfische und bürgerliche Tänze, was große Belustigung ob der mangelnden Geschicklichkeit fast aller Anwesenden auslöste. Dennoch forderte die Menge, diese Tanzstunden bei weiteren Anlässen zu vertiefen. Dabei blieb übrigens meist der Koboldkasten aus und stattdessen spielte erneut Saides zum Tanz, diesmal mit der Flöte.
Kurz vor Mitternacht bastelten die Gäste sich nach altem Brauch Masken aus buntem Papier und Federn und zog dann hinaus vor die Burg, wo das Feuer brannte. Schlag Mitternacht fielen sich dann alle in die Arme, beglückwünschten sich und feierten, während als Geister Verkleidete um sie herumtanzten und Bewohner der umliegenden Gehöfte buntes Feuerwerk abbrannten. Saides blies ihrer eigenen Tradition nach in ihr großes Signalhorn wie jedes Jahr. Dann verbrannten einige ihre auf Pergament geschriebenen oder gebastelten Wünsche, auf daß der Rauch sie zu den Göttern hinauftrage. Alle waren froh und ausgelassen, bis sie endlich die Kälte wieder in die Burg trieb.
Danach wurde in der Taverne fleißig weiter gefeiert und getrunken, Saides hatte ihre Harfe wieder hervorgeholt, und sogar Seine Majestät gesellte sich zum Volke in die Taverne. Ein Mann des Frosthierer Botendienstes traf ein und brachte die neueste Ausgabe des Schreyhalses mit.
Irgendwann sah ich noch den Hofmagier Torben einen Beutel nach draußen tragen, in dem angeblich der verfluchte Wandteppich verborgen war. Anscheinend wollte der Magus dieses Ding endgültig entzaubern. Nach einer Weile hörte man draußen ein Knallen und knattern und Gäste berichteten, daß draußen ein riesiger Kreis aus mindestens 60 Kerzen stünde, in dem der Magier werkelte. Ich habe dem keine besondere Aufmerksamkeit geschenkt, da die Unruhe der letzten Tage mich matt und schläfrig gemacht hatten. Ich kam so erst dazu, als alles gerade vorbei war, doch berichtete man mir später, der Magier habe einen weiteren Magier aus dem Teppich befreit, der sich vor 30 Jahren aus Versehen selbst in diesen Teppich gebannt habe. Allerdings trug dieser Magier das Zeichen Ishtars auf der Stirn, und so war nichts Gutes von ihm zu erwarten. Die Einzelheiten weiß ich nicht, aber anscheinend hat ein Hammerit ihn niedergerungen und so ermöglicht, daß Larhgo dauerhaft von einem weiteren Ishtaristen befreit wurde. Ich hoffe, dazu bald weitere Einzelheiten nachtragen zu können.
Heilerin Ezela berichtete mir dazu inzwischen das Folgende : Im inneren Bannkreise standen die zwei ihr unbekannte Magierinnen (die eine war die mit den Katzenohren) und hantierten mit dem Wandteppich. Hammerit Hademar und Hofmagus Torben standen im äußeren Bannkreis. Der, welcher sich später als Ishtarmagier herausstellen sollte, stand versteinert im äußeren Kreis und Torben hielt einen großen Wackerstein über dessen Kopf bereit, um ihn zu erschlagen, sobald der entsteinerte. Dummerweise verkündete er sein Ansinnen und vergaß wohl, daß der Versteinerte bewegungsunfähig, nicht aber taub war. Als sich die Versteinerung löste, warf sich Hademar verwegen auf den Ishtaristen und zwang ihn unter größten Schmerzen darnieder, auf daß der nicht den Bannkreis verlasse, gleichzeitig hieß er den Hofmagus, sich nicht darum zu kümmern, sondern das begonnene Ritual zu beenden. Gardistin Cho stand derweil mit gezücktem Dolche zusammen mit Graf Derfel wacht vor dem anwesenden König, um eventuellem Unbill für Seine Majestät zu begegnen. Der Teppich wurde also gleich unter Lichtern und Blitzen und lautem Knallen und Puffen Faden für Faden zerlegt und gebannt. An dieser Stelle sputete sich Heilerin Ezela, weitere diverse handliche Waffen aus der Burg zu holen, so daß sie das weitere Geschehen nicht verfolgen konnte. Als sie zurück kam, war alle schon vorbei.
Später, als sich der ganze Trubel gelegt hatte und die an allerlei Ungemach gewöhnten Larhgoten wieder in der Taverne saßen, ergaben sich noch lange Gespräche mit Seiner Majestät in lockerer Runde, bis irgendwann ein Gast nach dem anderen endlich ins Bett fiel.
Nach dem Frühmal, das für den einen oder anderen noch deutlich zu früh war, bedankten sich alle artig für das gelungene Fest, und besonders die Schakmaid Meta wurde mit guten Worten bedacht, hatten sich doch ausgerechnet während des Festes Küchenmeister und Köchinnen dünne gemacht und den Gastgeber mit leerer Speisekammer zurückgelassen. Meta rettete die Lage und schaffte es, die Küche irgendwie am Laufen zu halten.
Friedel hatte übrigens bei seiner Schankmaid Meta wohl Erfolg. Gibt es womöglich bald eine Hochzeit zu feiern ?
Ich durfte einen Tanz mit der Hausherrin genießen, und die Worte, die dabei fielen, waren, hm, vielversprechend. Obwohl ich mir im Moment eine Heirat nach Hammerburg noch nicht vorstellen kann. Oder überhaupt eine Heirat. Gerade jetzt dürfte die Handelsherrin jedenfalls erst mal ihre Geschäftsbeziehungen auf Vordermann bringen.
Ratsherr Martin Radebrecht-Hildes unterstützt derzeit tatkräftig den Bau weiterer Schiffe und ist nach einem Jahr und einem Tag vermutlich geschieden. Ich bin sicher, es stehen ihm bis dahin noch interessante Gespräche mit dem Handelsrat bevor.
Ein Gardist Frosthiers wurde wegen seiner herausragenden Heldentaten bei der Verteidigung des Reiches gegen die Schwarzen Nordmänner auf Hammerburg öffentlich mit einem Orden ausgezeichnet.
Und wir selber reisen erst einmal wieder zurück ins schöne Ludwigstein, wo wir dem Grafen ausführlich Bericht erstatten werden. Damit sind wir sicherlich noch beschäftigt, wenn wir nach Nordort weiterziehen, denn es ist ja schon wieder so weit, und wir kommen gerade noch rechtzeitig zur nächsten Taverne auf der Admiral Nelson dort an.
Vielleicht sehen wir uns dort ja,
Euer Docatius Viator