Eine gar schaurige Geschichte will ich Euch heut erzählen, von einer Reise, unglaublich und unerwartet, die uns Reisende brachte an einen finsteren Ort zu finsteren Leuten.
Etwas über eine Woche ist es nun her, da machten wir uns auf die Reise. Langoras, seine Maid Ayla, deren Zofe Shinju, und Euer ergebener Erzähler Docatius Viator. Von Nordort aus sollte es über Ludwigstein zur Bannerschau gehen. Vorher besuchten wir noch Rana aus dem Nebelturm, denn sie sollte uns die Albenpfade öffnen, auf daß wir schneller als das Wetter reisen würden.
Tatsächlich tat Rana irgendetwas Seltsames, das sich meine Erinnerung weigert, wiederzugeben. Verschwommene Gedanken an ein Loch in der Luft, aufrecht stehend eine brodelnde lichtlose Scheibe aus Schwärze, nur unterbrochen von einem Lichtband, das sich in der Ferne verlor.
Was dann geschah, entzieht sich meinen Sinnen. Wir befanden uns plötzlich auf einer Lichtung in einem Walde. Als wir aufs Geratewohl nach Leuten suchten, die uns den Weg zur Burg weisen konnten, wurden wir auch schon von finsteren Gesellen angerufen, die mißtrauisch und bedrohlich wirkten. Sie sahen aus wie das Volk, das sich in Hafenspelunken herumtreibt, dabei gibt es doch in Ludwigstein gar keinen Hafen.
Zum Glück kam gerade in diesem Moment jemand hinzu, der mich vom Sehen her schon vom Biertautag aus der Grenztaverne zwischen Hammerburg und Frosthier kannte und sich als Alrik vorstellte. Wir konnten also nicht völlig auf der Erdenscheibe verloren gegangen sein. Er begrüßte uns mit großem Hallo und die Situation entspannt sich sichtlich, wenngleich die merkwürdigen Seeleute weiterhin als wenig sympathisch auftraten.
Alrik nahm uns mit in den Wald, wo einige Zelte aufgebaut waren. Er geleitete uns unter die Plane, die sein Nachtlager darzustellen schien. Dort wartete bereits eine junge Dame, die sich uns als angehende Priesterin einer Gottheit namens Odin vorstellte. Interessanterweise war sie dabei gar keine Gläubige, sondern mußte Priesterin werden. Warum und wieso, das wurde nicht so ganz klar, von einem der Umstehenden wurde etwas von Bestimmung gemurmelt.
Es stellte sich nunmehr heraus, daß mit den Albenpfaden irgendetwas schiefgelaufen war. Vermutlich hatte Rana getrunken. Der Ort, an dem wir gelandet waren, wurde uns als die östlichen Provinzen der Weitlande beschrieben, ganz in der Nähe von Esemünde, am Nordmeer gelegen. Wir hatten also keine Ahnung, in welcher Richtung Larhgo eigentlich lag. Schließlich konnte Langoras mit einer der zwielichtigen Gestalten, die sich hier Kapitäne nannten, eine Überfahrt nach Hammerburg auf einem Drachenboot aushandeln, die uns neben einigem Gold auch noch eine geschlagene Woche kosten sollte. Die weitere Reise wird uns von hier in dieser Kaschemme in Hammerburg aus, wo ich gerade bei einem Becher Apfelmost diese Geschichte niederschreibe, nochmal zwei weitere Wochen kosten.
Doch zurück in den finsteren Wald. Die Nacht war inzwischen hereingebrochen und die unangenehmen Seeleute hatten sich irgendwo in den Wald verzogen, wo sie unzweifelhaft unschöne Dinge taten und planten - ich ließ keinen Moment die Hand vom Schwertgriff. Wenn diese Gestalten hier vom selben Schlage waren, wie ich sie beim Biertautag gesehen hatte, war es sehr gut, daß sie weit weg von Larhgo lebten.
Trotzdem war es im Lager von Alrik sehr angenehm. Wir plauderten und scherzten mit ihm nach Kräften und sangen auch einiges an Liedern, denn tatsächlich gesellte sich noch eine Bardin zu uns. Dieser Alrik war übrigens mit Abstand der angenehmste Geselle weit und breit. Mehr als irritiert waren wir aber, als eine kohlpechrabenschwarze Maid in den Lichtschein des Feuers trat - eine Dunkelelbe! Eine waschecht Drow ! Langoras wollte sie eigentlich sogleich erschlagen, wie es sich für einen aufrechten Larhgoten geziemet, doch belehrte Alrik ihn, daß die Finstere hier geduldet sei - sie hatte sogar ihren Sohn dabei, der, klein wie er war, unablässig mit einem Dolch herumspielte, wenn er nicht gerade fasziniert die Flammen in Alriks Feuerkessel immer wieder anfachte. Ich wechselte sogar einige Worte mit dem Wesen der Nacht, und war erstaunt, daß sie freundlich war und eine wohlklingende Stimme hatte. Und doch jagte es mir Schauer über den Rücken, daß ihre weißen Zähne buchstäblich in ihrem schwarzen Gesicht leuchteten. Ich erfuhr von ihr, daß sie mich sogar schon gesehen hatte und ich auch sie - nämlich auf dem Biertautag ! Ich konnte mich auch tatsächlich wage an eine schwarze Gestalt erinnern. Irgendein Zauber mußte sie wohl bislang meiner Wahrnehmung entzogen haben, denn ich entsonn mich ihrer nur sehr undeutlich und irgendwie verschwommen.
Schließlich, tief in der Nacht, war es Zeit für uns, aufzubrechen. Es erschien uns nicht ratsam, in diesem Walde zu nächtigen. Die Dunkelelbin leitete uns zu den Seeleuten (folgt doch mal einer schwarzen Dunkelelbin durch die Nacht - sie mußte ein Lichtlein entfachen, daß wir sie sahen), wo wir den Kapitän fanden, welcher uns in die plötzlich so ferne Heimat fahren sollte. Die Seeleute standen zusammen und warfen einander finstere Blicke zu. Man hieß uns auch sogleich, zu verschwinden, denn eine große Spannung lag in der Luft. “Ärger” stand über allem geschrieben. Der Kapitän riet uns, in der Hafentaverne in Esemünde auf ihn zu warten und wir beeilten uns, von diesem dunklen Ort fortzukommen, in der Hoffnung, daß die Seebären sich möglichst gegenseitig um die Ecke bringen würden, statt uns im Dunklen abzuschlachten. Wieder waren es die Dunkelelbin und Alrik, die uns zum Waldrand geleiteten und uns den Weg wiesen.
Der Rest der Nacht sei hier nur kurz umrissen. Wir fanden die Taverne und tatsächlich, obgleich wir doch zweifelten, erschien bald auch der Kapitän. Wir gingen an Bord seines Schiffes und verbrachten die Zeit in der Erwartung, bei Nacht irgendwo ausgeraubt und über Bord geworfen zu werden, aber wir sind wider allen Erwartungen lebendig angekommen - außer Langoras, der die meiste Zeit der Woche über der Reling gehangen und die Fische gefüttert hat. Er ist bestenfalls halb lebendig angekommen. Wir erwähnten in dieser Zeit öfters den Namen Rana, und was wir mit ihr anstellten, wenn wir sie in die Finger bekämen. Vielleicht würden wir sie nochmals verbrennen, dann wiederbeleben, und dann nochmal verbrennen. Das wurde allerdings als zu harmlos verworfen.
Am Morgen des nächsten Tages machten wir dann noch den Hafen von Hammerburg unsicher, denn es war Markttag und einige Schiffe waren gerade angekommen, alles große Koggen mit ordentlichen Seeleuten, wie man sie sich in Larhgo vorstellt - kein Vergleich zu den finsteren Gestalten im wilden Land. Zu unserer Freude trafen wir dort sogar auf den Kapitän Ole, den Ersatzprinzen vom Biertautag, der zwar ohne Mannschaft und Schiff, dafür aber voll guter Laune war. Die Frauen stöberten durch die Marktstände und luden noch vielerlei Leute zum Marktfest ein, das zur Mitte des siebenten Mondes in der Taverne in Nordort stattfinden wird. Die edle Ayla erwarb eine schöne weiße Feder für einen Hut, und ich selber konnte ein ganz besonders schönes Barrett erstehen. Ein Erfolg, der übrigens auch Ole beschieden war, denn auch er erfeilschte sich eine elegante Kopfbedeckung. Danach lungerten wir noch bei Freigetränken an Deck einer großen Kogge herum (die zu Langoras Entzücken nicht mal ansatzweise schaukelte) und trieben Schabernack mit den Landratten.
Morgen früh machen wir uns also auf den Weg und versuchen, dieses wilde Land jenseits der Albenpfade und deren meist unerfreuliche Bewohner so schnell wie möglich zu vergessen. Oder es zu erobern, je nachdem.
Euer sehr ergebener Docatius Viator, im Moment vermutlich gerade auf dem Wege Richtung Süden, wo wir alle hoffentlich wohlbehalten an der Bannerschau teilnehmen werden.
– Langschwert 2007-05-21 22:03